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Eine Komposition für den Relaunch der Webseite SilenceRadio.org am 1. Mai 2010
Länge: 10:14 min.
Gesang: Almut Kühne

Im März 2010 bat mich das Belgische Internetradio SilenceRadio.org um eine Komposition anlässlich der Neugestaltung und Wiedereröffnung ihrer Webseite. Mich interessierte zu der Zeit vor allem, wie sich Klänge in anderen Klängen spiegeln können und wie die Bedeutungen, auf die Klänge verweisen, sich verschieben, wenn diese Klänge in einen anderen Kontext gestellt werden. Der Titel des Stückes – „A Pot Calling The Kettle Black“ – ist ein altes englisches Sprichwort, das schon von Shakespeare und Cervantes verwendet wurde und bis heute in abgewandelter Form dazu dient, jemanden als heuchlerisch zu bezeichnen. Das Sprichwort lässt sich wie folgt deuten: Ein Topf ist schwarz von Ruß, weil er auf dem offenen Feuer steht, während ein Kessel auf den Kohlen sauber und glänzend bleibt. Der Topf sieht in der spiegelnden Oberfläche des Kessels die Reflektionen seines eigenen verrußten Erscheinungsbilds und beschuldigt den Kessel, schwarz zu sein, obwohl diese Eigenschaft nur auf ihn selbst zutrifft. In ähnlicher Weise zeigen die Klänge in der Komposition mit dem Finger aufeinander und spiegeln sich in ihren verschiedenen Erscheinungsformen. Das Geschehen ist von der offenen Feuerstelle des Mittelalters in einen Haushalt der Gegenwart verlegt und die meisten Klänge haben mit ganz alltäglichen Handlungen in der Küche zu tun: ein Spiegelei braten, Mineralwasser trinken, Teewasser aufsetzen oder das Geschirr waschen. Die Geräusche von Wasser und Feuer, des Erhitzens und Verbrennens, des Eintauchens und Abtropfens erscheinen in vielfältigen Abstufungen. Orchestriert werden die Klänge von einer Frau, die durch ihr Tun in der Küche zu stimmlichen Experimenten angeregt wird. Die Haushaltsgeräusche verwandeln sich in abstraktere Klangwelten, die vielleicht ihrer Imagination oder Erinnerung entspringen, aber vielleicht auch nur freigesetzte Klänge sind, die sich von ihrer chemischen Bindung an eine Bedeutung gelöst haben und sich im Zustand der Erhitzung zu neuen molekularen Gebilden zusammenfügen.
 

A Pot Calling The Kettle Black

A composition for the relaunch of the SilenceRadio.org website on May 1, 2010
Length: 10:14 min.
Singer: Almut Kühne

In March 2010 the Belgian internet radio SilenceRadio.org asked me to compose a piece for the relaunch of their website. At that time I was interested in how sounds could be mirrored in other sounds and how the meaning of sounds shifts depending on context. The title of the piece – “A Pot Calling The Kettle Black” – is an old English phrase already found in works by Cervantes and Shakespeare that is still used today to refer to hypocrisy. The idiom can be interpreted as follows: A pot is sooty from being placed on an open fire, while a kettle, being placed on coals, remains clean and shiny. The pot only sees its own sooty reflection in the shiny surface of the kettle and accuses it of being black, a property that only belongs to the pot itself. In this composition, sounds refer to and reflect each other in a similar manner. The action is transposed from a medieval fireplace to a contemporary household, and many sounds deal with activities set in a kitchen: frying eggs, drinking mineral water, making a cup of tea or cleaning the dishes. Sounds of water and fire, of heating and burning, of immersion and draining appear in many variations. The sounds are orchestrated by a woman who is inspired to vocal experiments by her daily routines. The kitchen noises turn into abstract sound worlds which may arise from her imagination and memory – but perhaps they are just sounds that have been released from their chemical bond with a specific meaning and which, when heated, recombine to form new molecular structures.